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Schwein, Hahn und Schlange

Auf einem Bauernhof lebte einmal ein kleines Schwein. Es liebte nichts mehr auf der Welt als Matsche, Pampe und Matschepampe. Wenn irgendwo eine Pfütze, eine sumpfige Stelle, ein Morast zu finden waren - das kleine Schwein war nicht weit. Erst stieß es nur den Rüssel in den Schlamm, aber bald wühlte es und scharrte und wälzte sich, dass der Dreck nur so spritzte, und gab nicht eher Ruhe, bis Augen und Rüssel, Ohren und Fell ganz verklebt waren. Ging seine Mutter mit ihm über die Wiese, versuchte sie, ihm dies und das, was für Schweine wichtig ist, zu erklären. ,,Schau mal", sagte sie, ,,das hier mit den gelben Blüten ist Löwenzahn, ein prächtiges Grünfutter." Aber das kleine Schwein hatte den Kopf schon wieder in einen feuchten Maulwurfshaufen gesteckt und die matsche-verkleisterten Augen sahen keinen Löwenzahn. ,,Hör nur, wie schnell die Autos auf der Straße am Bauernhof vorbei rasen", warnte die Mutter. Das Schweinchen hörte aber keine Warnung, weil es sich gerade eine Maske aus Pampe gemacht hatte, die beide Ohren überdeckte. He, kleines Schweinchen, du musst doch was lernen, sonst wird es dir einmal schlecht ergehen! Zwecklos. Das Schwein kannte Matsche. Es kannte Pampe. Und es kannte das beste, nämlich Matschepampe - was gibt es da noch zu lernen? Oh je! Das kleine Schwein wurde nach und nach groß. Es entschloss sich, in die Welt hinauszuziehen; es hatte gehört, es gäbe irgendwo da draußen ein riesiges Gebiet aus Matschepampe. Da wollte es hingehen und für immer glücklich sein. Doch was macht man in der weiten Welt, wenn man nichts gelernt hat? Genau, man macht Fehler. Man macht viele dumme Fehler. Man frisst vielleicht eine große Menge feuchten Klee und bekommt Bauchweh. Drei Tage lang. Das ist kein Spaß! Oder man geht auf einem alten morschen Steg auf den See hinaus, bis plötzlich ein Brett bricht. Da liegt das arme Schwein im kalten Wasser und hat Mühe, nicht zu ertrinken. Oder man suhlt sich im Schlamm und vergisst alles darüber und plötzlich ist es Abend und dunkel und der Magen knurrt und nichts zu fressen weit und breit. Was nützt jetzt Matsche? Nichts. Ach, unserem Schwein ging es immer öfter gar nicht gut. Aber es begriff nicht recht warum und es wusste nicht, wie es zu ändern sei.

Eines Tages traf das Schwein auf seiner Suche nach dem Matschepampe-Paradies am Fuße eines kleinen Hügels auf einen Hahn. Es war ein stolzer, prächtiger Hahn mit großem Kamm auf dem Kopf mit bunt schillernden Federn. Das Schwein, froh über etwas Gesellschaft nach langer Zeit des Alleinseins, erzählte ihm seine Erlebnisse. ,,Das ist ja alles noch gar nichts", unterbrach es der Hahn bald. ,,Hör mal, was mir passiert ist!" Und der Hahn erzählte, wie er zuerst nur drei Hennen gehabt hätte. ,,Da suchte ich mir einen anderen Bauern. Was soll ich mit lächerlichen drei Hennen? Bald hatte ich schon fünfzehn Hühner, ich ganz allein! Aber das Futter, das wir bekamen, war nichts wert. Hinter dem Zaun gab es viel bessere Kräuter und viel fettere Würmer. Die muss ich haben, sagte ich mir. Leider schaffte ich den Weg zurück über den Zaun nicht. Aber was soll's ich finde sicher bald eine neue Stelle mit mindestens 20 Hühnern und super Futter. Ich habe von riesigen Ställen gehört, wo Hunderte von Hennen drin arbeiten; das wäre schon ein Platz nach meinem Geschmack." So krähte der gierige Hahn, der Angeber! Denn eigentlich hatte er ja alles verloren, war allein auf Wanderschaft, hatte nicht ein einziges Huhn zur Gesellschaft und musste fressen, was staubig am Wegesrand wuchs.

Kaum hatte der Hahn fertig erzählt, da tauchte aus dem Gebüsch eine grün-schillernde Schlange auf, schlich sich vorsichtig und misstrauisch an das Schwein und den Hahn heran und zischte: "Was steht ihr hier in meinem Gebiet herum und quatscht? Vertreibt mir die Mäuse, ihr Lumpenpack!"

,,Gute Güte, ist die giftig!", rief der Hahn. ,,Entschuldigung, dass wir gestört haben, lieber grüner Wurm", sagte das unwissende Schwein. Das hätte es besser nicht gesagt. ,,Wurm, du nennst mich Wurm?", fauchte die Schlange, und voller Hass biss sie dem Schwein in den Schwanz. Ängstlich quieckte das Schwein: ,,Haaahn, Hiilfe!", und schnappte sich seinen Schwanz, in der Hoffnung, es möge etwas nützen. Nun bekam es natürlich auch der Hahn mit der Angst zu tun; am meisten sorgte er sich um seine Schwanzfedern, auf die er sehr stolz war. Und weil das Schwein ihn nicht losließ, pickte er die Schlange mit aller Kraft in den Schwanz, damit sie das Schwein loslassen und dies ihn selbst befreien möge. Und so entstand der merkwürdige Kreis von Schwein, Hahn und Schlange. Keiner ließ den anderen los; das Schwein den Hahn nicht, weil es in seiner Dummheit glaubte, der Hahn könne ihm gegen die Schlange helfen; der Hahn die Schlange nicht, weil er keine Feder verlieren wollte. Und die Schlange das Schwein nicht, weil sie so wütend darüber war, dass das Schwein sie ,Wurm' genannt hatte.

Da saßen sie fest und zerrten sich im Kreise herum aus Dummheit, aus Hass und aus Gier.

aus Buddhas Gleichnissen, von Dieter Stöhr erzählt

 

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