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Der ehrwürdige Mullah Nasruddin, wurde einst zum Tode verurteilt, weil er witzige Äußerungen gemacht hatte, die das Mißfallen des Schahs erregten. Bald schon machte Nasruddin folgenden Vorschlag:
«Verschiebe die Hinrichtung um ein Jahr», flehte er, «und ich werde dein Pferd fliegen lehren.» Der Schah, dessen Neugier erwacht war, willigte ein. Einen Tag später fragte ein Freund Nasruddin, ob er
mit diesem Schachzug tatsächlich der Todesstrafe zu entrinnen hoffe.
«Warum nicht?» antwortete der gottselige Mullah. «Innerhalb eines Jahres kann viel geschehen. Vielleicht kommt es zur Revolution und somit zur Bildung einer neuen Regierung. Es ist möglich, daß wir von
einer fremden Macht bezwungen werden und unter einem neuen Schah leben. Ferner kann der jetzige Schah eines natürlichen Todes sterben oder irgend jemand im Palast könnte ihn vergiften. Wie du weißt, will es die
Tradition, daß ein neuer Schah bei der Thronbesteigung alle zum Tode verurteilten Verbrecher begnadigt. Im übrigen werden seine Häscher im Laufe eines Jahres des öfteren nachlässig sein, und ich werde stets die
Augen offen halten, um mir keine Gelegenheit zur Flucht entgehen zu lassen.»
«Schlimmstenfalls», schloß Nasruddin, «kann ich möglicherweise das verflixte Pferd tatsächlich fliegen lehren!»
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